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So viel zu Lernen…

Ich lobe an dieser Stelle die Wette aus, dass sich das Glück, unterwegs zu sein, letztendlich als Liebe identifizieren wird: zum Leben an sich, zu den Details, Dezimalen und Differenzen, zum Unbedeutenden, Unspektakulären und Unbedarften, zu den Landschaften Tieren und Menschen, die überall so großartig wie fehlbar sind, ja, als Liebe zur Wirklichkeit, wie sie ist: schamlos, brutal, gemein, rührend, ergreifend, erregend, verblüffend, poetisch, bisweilen hässlich und meist überwältigend schön. Deshalb ist das Reisen jedes Mal aufs Neue die stets wiederentfachte Bereitschaft zur Neugier auf das, was der Fall ist. Deshalb lieben und brauchen wir es. Wer reist, der sucht. Was? Das Andere. Das Fremde. Und sich selbst. 

Christian Schüle: Vom Glück, unterwegs zu sein. 


Mich hat auf meiner Reise auf die Cook Islands viel begeistert, verzaubert, überrascht. Und manches schockiert. 

Mir ist natürlich bewusst, dass ich nur für einen kurzen Zeitraum und nur als Besucherin einen Einblick in das Leben auf den Cook Islands erhalten habe. Und so schildere ich euch nur meine subjektiven Eindrücke und Empfindungen und neu dazu gelerntes. Denn, das darf man nie vergessen: Man lernt etwas über das, wo man den Blick drauf wendet. Jemand anders würde sicherlich ganz anders aus dem Besuch auf den Cook Islands berichten.

Und man muss auch immer sehr aufpassen, dass man nicht anfängt, Dinge, die anders sind als das Bekannte, in richtig und falsch einzuordnen. Guckt man sich die Geschichte an (Stichwort u.a. Kolonialisierung) sieht man ja schnell, dass wir besonders als westliche Länder häufig denken, wir lebten unser Leben auf die richtige Weise und müssten (mit Gewalt) Menschen von unserer Lebensweise überzeugen. 

Mit den Gedanken im Hinterkopf …: 


– die Gastfreundschaft habe ich so bisher noch nie erlebt. So häufig wurde mir Essen vorbeigebracht, ich zum Essen eingeladen, haben mich Menschen nach Hause gebracht, abgeholt, mich umsonst zu Dingen mitgenommen, die eigentlich viel Geld kosten… Und alle haben nur gesagt: Wir wollen, dass du als Touristin die wunderbarste Zeit hast, die du hier nur haben kannst. Und sie haben es geschafft. Am Ende habe ich meinen Aufenthalt sogar verlängert. Das Gefühl, wie ich es auf den Cookislands hatte, hatte ich noch nie (nichtmal auf Samoa, was dem Gefühl aber schon nahe kam). 


– Die Menschen arbeiten unglaublich viel! Jede*r hat mindestens zwei Jobs! Der Stundenlohn lag jahrelang bei 2 Neuseelanddollarn (1,16) und wurde jetzt auf 7 NZD (4.05 Euro) erhöht. Das Wohnen ist zwar umsonst (siehe nächster Punkt), aber Lebensmittel und Dinge zur Reperatur usw. müssen alle per Boot kommen, sodass sie unglaublich teuer sind. Tourismus ist die Haupteinnahmequelle.


– Land kann nicht erworben werden, sondern nur über die Familien weitergegeben, da Land als heilig gilt. Am Ende entscheidet der Häuptling des Dorfes, wer wieviel Land für welche Zwecke erhält. 


– Es leben ca. 20.000 Cookislander auf den Cookislands, und 120.000 Cookislander in Neuseeland oder Australien (die meisten, weil es dort Universitäten gibt und man generell mehr Geld verdient)


– häusliche Gewalt ist (aufgrund der traditionellen Rollenbilder?) ein großes Thema. Eltern ärgert es teilweise, dass in den Schulen den Kindern nun ihre Rechte beigebracht werden. 


– Es ist keine Seltenheit, dass Kinder bei den Großeltern/ Tanten/ Onkeln/ Freunden aufwachsen, und nicht bei den eigenen Eltern. Gerade, wenn die Eltern viele Kinder haben, die Tante aber z.B. keine bekommen kann. 


– Auf den Cookislands wird Maori Cookislands gesprochen. Das Alphabet hat nur 13 Buchstaben. 

– Pläne ändern sich andauernd und nur, weil man verabredet ist, heißt es nicht, dass man sich auch wirklich trifft. Eine gute Übung für mich, den Moment im Hier und Jetzt zu leben und mich nicht in Gedanken auf kommende Ereignisse zu konzentrieren, die vielleicht eh nicht eintreten. 

Wenn man sich tatsächlich trifft, gilt die island time, dabei kann man entweder viel früher, aber auch viel später kommen. 


– Tänze und Gesang gehören ganz selbstverständlich zur Kultur dazu. Dazu berichte ich aber noch mehr in meinem Artikel über die Erlebnisse in der Schule. Spätestens in der Grundschule werden diese beigebracht. 


– Sonntags hat alles zu, auch die meisten Restaurants. Auf der Hauptinsel Rarotonga gibt es einen Bus, der stündlich im Uhrzeigersinn fährt und einen, der stündlich gegen den Uhrzeigersinn fährt. Sonntags fährt er gar nicht. 


– Auf Aitutaki gibt es keinen öffentlichen Verkehr. Auch deswegen ist das sogenannte Drink driving, also betrunken Moped oder Auto fahren, ein großes Ding. Samstags nachts hält einen die Polizei an. Ob man getrunken hat ist ihnen egal, sie wollen nur wissen, ob man noch nach Hause fahren kann. Wenn nicht, wird einem der Schlüssel des Mopeds abgenommen und die Polizei fährt einem auf dem Moped nach Hause. Eine Strafe dafür, dass man betrunken Moped oder Auto gefahren ist, gibt es keine. Jede Person, mit der ich gesprochen hatte, kannte mindestens eine Person, die bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen ist. 


– Alkohol ist ein großes Ding, sowohl bei den Einheimischen, als auch bei den Besucher*innen. Viele machen das sogenannte binge drinking, was man bei uns eher von Jugendlichen kennt. Also das Trinken bis zum vollsten Bertrunkensein, was häufig im Einschlafen endet. 


– Die Kirche, auf die Cookislands gebracht durch die Missonare, hat einen sehr großen Einfluss auf das Leben der Menschen. Viele Menschen spenden einen Großteil ihres Einkommens an die Kirche. Vor dem Bootsgang wird beispielsweise gebetet. 


– der Umgang mit dem Tierleben im Ozean ist viel selbstverständlicher als bei uns (das war mir auch schon in Australien aufgefallen). Haie gehören nunmal dazu, man befindet sich in ihrem Lebensraum und sollte ihnen mit Respekt begegnen. Besonders beim Speerfischen, was von vielen Männern auf den Cookislands betrieben wird, gehören die Haie dazu. 


– Der Tod ist näher als bei uns. Auf Aitutaki gibt es zum Beispiel keine Kühlung für Leichen, sodass Tote spätestens am nächsten Tag begraben werden müssen. Die Gräber befinden sich in den Gärten der Menschen. Tod ist präsenter, aber dadurch auch nicht so tabuisiert, wie es meinem Gefühl nach in Deutschland der Fall ist. 


– Bei der Vorstellung nennt man das Land, von dem man kommt und die Familie (Vater, Mutter, Großeltern). Bei uns fällt ja meist spätestens im zweiten Satz der Beruf. 


– Die Menschen führen sicherlich nicht alle ein leichtes Leben, nur weil sie von außen gesehen im Paradies leben. Viele Annehmlichkeiten, die wir aus Deutschland bzw. Europa gewöhnt sind, stehen den Menschen auf den Cook Islands nicht zur Verfügung (ein angepasster Mindestlohn an die Lebensmittelpreise, trinkbares Leitungswasser usw.). Und trotz diverser Schwierigkeiten habe ich das Gefühl bekommen, dass die Menschen auf Rarotonga und Aitutaki mehr auf die Mitmenschen achten. Mehr bereit sind, in den kleinen Momenten Freude zu entdecken und diese wertzuschätzen. Familie als Geschenk zu betrachten. Und dem Leben mit einem Blick auf das Positive zu begegnen. 




[…] welcher Impuls uns überhaupt erst dazu bringt, uns auf den Weg zu machen: Das Bedürfnis, unseren Blick auf das eigene Leben neu zu bestimmen, indem wir uns mit dem Unbekannten konfrontierend und dadurch diesen Prozess neu zu entdecken, was „Wissen“ eigentlich bedeutet. 

Slow travel von Dan Kieran


Ein paar Bilder, als Vorfreude auf die weiteren beiden Artikel, die beide in den nächsten Tagen veröffentlicht werden: Wie schön ist bloß die Welt!

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Kommentare: 4
  • #1

    Bodo Danz (Donnerstag, 13 Oktober 2022 04:18)

    Hallo Susanne.
    Schöner Artikel! Bin gespannt auf mehr.
    LG Bodo

  • #2

    Elisabeth (Dienstag, 18 Oktober 2022 14:56)

    Ich kann garnicht aufhören zu lesen und fange immer wieder von vorne an … :)
    Time flies therefore enjoy every moment!
    Auf bald, liebste Grüße

  • #3

    Martina (Freitag, 21 Oktober 2022 08:49)

    Liebe Susanne, beim Lesen und Betrachten deiner Reiseberichte bekomme ich Gänsehaut, muss schmunzeln, bin erschrocken, schüttele den Kopf und bin gerührt.
    Und… ich bin unglaublich gespannt auf deinen nächsten Artikel.
    Bleibe schön neugierig…

  • #4

    Isabelle (Samstag, 22 Oktober 2022 14:41)

    Ich freue mich auf mehr. Genieße es in vollen Zügen, ich freu mich jetzt schon auf unser Wiedersehen �